"Uhmei! Das taugt mir!" sagt sie, die Deutsche, die vor ein paar Jahren in mein Heimatdorf gezogen ist. Weg aus einer deutschen Großstadt, hin in eine 2.000 Seelengemeinde im Inneren Salzkammergut. Quasi: Tausche U-Bahn gegen Traktor. Das Leben als Graphikerin zu stressig, zu oberflächlich, zu laut, zu busy. Lieber mehr Ruhe, Natur, Blumen und weniger Menschen.
Was sie zu Hause in dem Dorf geschaffen hat, da wird jede/r neidisch. Ein unglaublicher Blumen- und Kräutergarten, ein selbst gebauter Pizzaofen (steht im Freien und sieht großartig aus), das zuvor unscheinbare Haus mit viel Liebe zu einer grünen Oase umgestaltet. Eigentlich sollte sie mit einem Strohhut, ihrer Latzhose, die sie manchmal trägt und ihren beiden Hunden abgebildet werden in irgendeinem Frauenmagazin. Denn sie macht seit Jahren das, was jetzt bei allen Hipster und super fancy Stadtmenschen en vogue ist: Sie genießt das Landleben in vollen Zügen. Der Weg dahin war hart. Wegen der Einheimischen. Die sind ein bisschen, na sagen wir, störrisch und verschlossen. Aber egal. Das wäre ein eigenes Blogthema.
Also- die Deutsche hat schon vor einigen Jahren das angefangen, was Menschen am Land schon seit Generationen machen (weil sie es können) und was Stadtmenschen erst seit ein paar Jahren auf ihren Minibalkonen machen: gachtln. Oh, äh, sorry- ich meine "gardening". Auf gosingarisch eben "gachtln". Im Kräutergarten von der Deutschen im Salzkammergut blühen verschiedenste Pflanzen, die einen der besten, wenn nicht sogar den besten, Kräutertee weltweit ergeben. Wie viel Arbeit da dahinter steckt, will man gar nicht wissen. Wirklich nicht. Meine Mama hat sie mal gefragt, sie hat ihr aufgezählt, was sie alles macht, damit der Garten so ist, wie er eben ist. Also, das ist echt eine Mordsarbeit. Das wollt ihr gar nicht wissen.
Das vergessen die meisten Backtotheroots-Fans. Dass das Leben am Land tatsächlich mühsam ist. Mich amüsieren die romantischen Ideen immer von Leuten, die gerne eine kleine Alm hätten mit Schafen und keinem Fernseher, Handynetz etc. Wenn man Viecher hat, muss man in den Stall gehen. Um 5 Uhr morgens. Und dort stinkts. Nach Pupu. Jawohl. Und dann kann man nicht einfach so auf Urlaub fahren, weil man ja die Schafe, Ziegen, Hühner (was auch immer und erstaunlicherweise will niemand Kühe haben) etc. nicht alleine lassen kann. Ist ja nicht so, wie eine Hauskatze, die der/die Nachbar/in schnell füttern kann. Und kein Handynetz haben ist auch scheiße. Leben wir im 18. Jahrhundert ist nicht so toll, wie es sich anhört. Spätestens, wenn in der Nacht das Feuer im Kachelofen ausgegangen ist und in der Früh kühle 10 Grad in der Stube herrschen, wünscht man sich den guten alten Heizkörper zurück.
Vor kurzem habe ich den Sticker "My wool doesn't kill people" gesehen. Da musste ich schmunzeln. Möchte wissen, woher die pink-farbene Wolle kommt, die jetzt zu tausenden Hauben, Stirnbändern, unförmigen Pullis und eingestrickten Bäumen (ja. echt. das nennt man "guerillastricken") kommt. Von den eigenen Schafis wahrscheinlich, die man auf der Alm hat. Und die pinke Farbe wird aus Rosen hergestellt oder wie?
Plötzlich wird auch wieder Brot selbst gebacken und Korn selbst gemahlen und was weiß ich was noch alles. Wenn ich meiner Oma erzähle, dass in meinem Freundeskreis Leute echt wieder selbst Brot backen, dann grinst sie nur. Wissend, dass das vielleicht ein halbes Jahr lang spannend ist: Aber dann, das weiß sie ganz genau, geht's dir am Senkel, weil das hin- und hergeräume der Küchenmaschine, das herumgepatze und die Körndl vom selbst gemahlenen Getreide, die überall herumliegen, einem voll auf die Nüsse gehen.
Das Landleben für Stadtmenschen ist ein Landleben light. Ein "ein bisschen gardening", ein "ein bisschen knitting", ein "ein bisschen baking". Eben ein bisschen das schlechte Gewissen beruhigen, weil wir in einer Welt leben, die wirklich zum Kotzen ist, weil Spekulanten aus einer puren Laune heraus Länder in den Ruin treiben, die Privatwirtschaft die Reichen reicher und die Armen ärmer macht, weil eben Hoamatwahnsinn derzeit sowieso in ist.
Die Deutsche hat das erkannt und ist ausgestiegen. Und das noch, bevor die ganzen Zeitschriften und Bloggerinnen angefangen haben, von österreichischem Brauchtum, selbst gebackenen/ geschossenen/ geschlachteten Wasweißichwas geschrieben haben. Von einer Metropole in ein Dorf. Nix mit ein "bisserl gardening, knitting and baking". Die macht das volle. Eine echte Trendsetterin sozusagen, die "eine Landpartie" zu ihrem Lebensmittelpunkt gemacht hat. Chapeau!
Ich finde, sie sollte in einer der kommenden Ausgaben vom "Servus" Magazin eine Doppelseite kriegen. Das hätt' sie sich verdient. Weil der Garten, ich sag's euch! Uhmei! Das taugt mir!
Ach übrigens: Das klingt jetzt, als ob das Leben am Land/in den Bergen so hart wäre. Pf! Die Leut' dort sind ja nicht blöd. Da backt fast niemand sein Brot selber, gestrickt wird nur für die Enkelkinder und eine Alm hat man nur deshalb, weils die 10 Generationen vor einem auch gehabt haben und diese noch immer in Familienbesitz ist. Nur eines ist tatsächlich für alle Pflanzenfans das selbe: gardening aka gachtln. Meine Mama behauptet, das entspannt. Wahrscheinlich muss ich erst mal so alt werden wie meine Mama (die natürlich noch nicht alt ist). Dann find ichs auch entspannend.
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