Montag, 12. November 2012

Ich bin Anfängerin.

Ja. So is' es. Ich bin Anfängerin. Ein Grünschnabel. Ein Neuling. Eine frisch G'fangte. Eine im ersten Dienstjahr. Am ersten Tag. Mit einer einzigen Frage:
WAS ZUM HENKER MACH ICH DA GRADE?!
Jepp. So is' das, wenn man plötzlich alleine in der eigenen Klasse steht. Das erste Mal. Noch keine Ahnung hat, wie man die Abläufe genau timen soll. Und ich spreche da jetzt nicht von "Wir machen jetzt blabliblablubb."
Ich spreche von:
Heftl austeilen oder doch einsammeln und VERDAMMT brauchen wir das Heft jetzt eigentlich?
Arbeitsblätter Name und Datum drauf, dann brav arbeiten, wenn fertig in die Ablage oder nein doch lieber zu mir her, ich muss das Zeug ja noch korrigieren.
Klo. Wer muss aufs Klo? War da nicht grad wer? Is' da nicht grad wer?
Große Pause. Raus aus der Klasse. Ja, raus. Die Klasse bleibt zu. Mah, ja. Dann holst halt noch deinen Saft, damit du nicht verdurstest.
Lied singen. Ich fang an. Urks, nein, das geht nicht. Klingt elendig. Also gemeinsam. Uäääh, aufhören, das tut ja weh in den Ohren. Na gut, dann eben mit viel Humor. Ich bin die Dirigentin, ihr seid-HALLO?-könnt ihr mal zum Singen aufhören? HALLOOOOOO. *knrisch* Oida. Na gut. Dann Angererstyle (benannt nach unserem viel gepriesenen Prof A. Angerer: einfach in die Mitte des Raumes stellen und stoisch warten, bis Ruhe einkehrt.) Neuer persönlicher Rekord: 11 Minuten warten, ohne ein Wort zu sagen. Kinder außer Rand und Band. Gut. Dann doch mal lieber Keksi-Style. R-U-H-E. Ach. Herrlich. Es is' ruhig. Und riecht a bissi nach Pipi. War wohl zu laut. Meh, jetzt kann gesungen werden.
Es läutet. Schule aus. Jetzt schon? Shit. Zeit übersehen. Aufräumen, Sessel rauf. Nein? Ok. Dann Sessel runter. (Später erfahre ich von der Putzfrau, dass mich die Zwutschgis volle angeschwindelt haben). Dann anstellen. Nein? Ihr müsst in den Hort? Wer? Was? Wie viele? Wieso sind die jetzt alle weg? VERDAMMT. Gut. Morgen dann anstellen und warten lassen. Ich kann warten. Mindestens 11 Minuten.

Ihr seht- ein erster Tag in der Schule als frischgebackene Frau Kollegin is SUPERANSTRENGEND. Und all das, was ich eigentlich wissen müsste, nämlich:
Wie erarbeite ich wichtige Dinge, wie Rechtschreibung, Grammatik, verschiedene Rechenwege etc weiß ich nicht. Oder: Wie zum Henker führe ich eine freie Unterrichtsphase ein? Wie erarbeiten Kinder Themen (Rechtschreibung, die direkte Rede etc.) ohne, dass ich Frontalunterricht machen muss? Kann mir das jemand sagen? Wir haben das nämlich nicht gelernt. Ich kann einen Wutball filzen. Und eine Spindel aus Holz machen. Und kreative Schreibanlässe geben (das macht mal wenigstens Sinn, danke Veronika!). Aber sonst? Sonst plansch ich da grad im eiskalten Wasser herum. Aber bei dem Witz und Charme von MEINEN Kindern muss ich euch ganz ehrlich eines sagen: Ich würde niemals wieder tauschen wollen.


Life begins at the end of our comfort zone.

Montag, 5. November 2012

Frau Kollegin.

So ist ab sofort meine Anrede. Nicht mehr "Kerstin" oder "Keks" oder (für die unhöflichen unter euch) "Posch". Nein. Frau Kollegin. Ich bin nämlich jetzt so eine. Also-ab nächster Woche halt. Weil mich der Ruf ereilt hat. Von oberster Stelle. Um meine Berufung anzutreten. Denn: Es ist nicht nur ein Job, den man ausübt. Es ist eine Berufung. Das hat irgendein pathetischer Schlaukopf mal auf der PH gesagt. Also bin ich jetzt berufen worden.
Fühle ich mich schon berufen? Joooo, na. Eigentlich eher nicht. Weil mal ehrlich: Frisch von der Uni, eine Zeit lang Ferien gehabt, dann wieder als Texterin in den unendlichen Weiten des Internetzes gearbeitet und plötzlich eine "Frau Kollegin" sein? S'kommt ein bisschen plötzlich. Ich hab aber trotzdem "Ja!" gesagt. Weil-na, was hätt ich denn tun sollen? Wenn das Telefon läutet und eine Frau Kunrath, nein-nicht "eine"- DIE Frau Kunrath, am anderen Ende der Strippe ist und als Erstes sagt:
"Frau Posch-ich hab eine Stelle für Sie!" Da sagst ja auch nicht "nein!"-oder? Ich also gleich "Um Himmels Willen, ja wie cool is' das denn? Ja ich will!" (Quasi: Bund für die Ewigkeit mit der Kunrath geschlossen und so). Sie erklärt alles Bürokratische, so weit so kein Wort verstanden. Ich rein zum Chef, Kündigung am Tisch. Dem wird schlecht, läuft an. Zuerst weiß, dann gelb, dann grün. Ich denk mir "Na Mahlzeit, wenn der da jetzt hinspeibt, schauts aus auf dem I-pad-das kannst nie wieder richten!" Er anscheinend den selben Gedanken, also bricht er doch nicht. Nur verbal halt. Ob das meine Priorität sei? Ob ich mir sicher sei. Ich denk mir: "Na heast, glaubst i hob de letzten drei Joar gmocht, weil i lustig bin?!?" Sag aber artig, dass es meine Berufung sei, Frau Kollegin zu werden. Er jetzt rot im G'sicht. Keine Gratulation, nur ein verzweifeltes wimmern. Da kann ich ihm jetzt aber auch nicht helfen. Ist ja nicht so, als ob ich ihn nicht vorgewarnt hätt', dass ich eines Tages (also, nicht ganz so bald, aber doch relativ schnell...) Frau Kollegin werd'. Dazwischen Jubelrufe meiner Mami aus'm Telefon, weil "Kollegin" sein is "des superste überhaupt".
Dann Telefonat mit der neuen Chefin, super nett. Freut sich auf "die neue Kollegin" und ist schon ganz gespannt auf sie. Also mich jetzt. Ich noch mehr gespannt als sie, quasi Pfizipfeil-mäßig.
Morgen erstes Treffen mit der neuen Chefin, um mich als neue "Frau Kollegin" vorzustellen. Dann werd ich eingewiesen, in meine neue Berufung als Kollegin. Und Klassenmama einer dritten Klasse.
Was soll ich sagen? Ich bin ein Kind der Sonne! Und eine Kollegin jetzt noch dazu!